2nd Stop Lichtenberg House

On the first floor of the house on the corner of Gotmarstrasse and Prinzenstrasse, Georg Christoph Lichtenberg lived, researched and taught from 1775 until his death in 1799.
Here, the physicist and man of letters made the discovery which went down in history as Lichtenberg’s Figures. 

They were the first successful attempt to visualize electricity.
He also developed the modern experimental lecture in this house. To conduct these lectures, he started his famous collection of instruments.
In his apartment he hosted such illustrious guests as Lessing, Volta and Goethe. Later on the physicist Wilhelm Weber lived for a few years in the northwestern part of the house.

 

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Künstlerhaus

Das Eckhaus Gotmarstraße/Prinzenstraße ist heute in Göttingen sowohl unter dem Namen Künstlerhaus als auch als Lichtenberghaus bekannt.

Wenngleich sich die Bezeichnung Künstlerhaus an der heutigen Nutzung des Gebäudes orientiert, knüpft sie auch an die Person des früheren Bewohners Georg Christoph Lichtenberg an, der als Literat in die Geschichte eingegangen ist. Doch Lichtenberg war nicht nur Schriftsteller, sondern auch und sogar in erster Linie Physiker.

1763 im Alter von 21 Jahren aus seiner hessischen Heimat zum Studium der Mathematik und Physik nach Göttingen gekommen, blieb Lichtenberg bis zu seinem Tode 1799 in der Stadt, wurde Professor, machte bedeutende Entdeckungen und erwarb sich einen hohen wissenschaftlichen Rang auf dem Gebiet der Experimentalphysik. Vieles davon geschah in diesem Hause, in das Lichtenberg 1775 einzog und in dem er bis zu seinem Tode wohnen blieb.

Das Haus wurde 1742 von einem Kaufmann erbaut und 1787 vom Göttinger Verlagsbuchhändler Johann Christian Dieterich, der seine Druckerei im Erdgeschoss eingerichtet hatte, übernommen. Lichtenberg lebte, forschte und lehrte im ersten Stock des Gebäudes. Hier empfing er auch eine Reihe berühmter Gäste, darunter Gotthold Ephraim Lessing, Karl August von Weimar, Alessandro Volta, Johann Wolfgang Goethe und Johann Kaspar Lavater.

Auch nach Lichtenbergs Tode beherbergten die Räumlichkeiten noch bedeutende Personen: Von 1831 bis 1838 lebte der Physiker Wilhelm Weber im nordwestlichen Teil (è Station Gauß-Weber-Denkmal), und 1837 hielt Alexander von Humboldt anlässlich des 100. Jahrestages der Universität vom Balkon des Hauses aus eine Rede an die Göttinger Studenten (daher „Humboldtbalkon“).

Lichtenbergs Name ging mit einer Entdeckung in die Physik ein, die er in diesem Hause machte: die Lichtenbergschen Figuren. Im 18. Jahrhundert war die Elektrizität ein großes Thema naturwissenschaftlicher Forschung, die auf diesem Gebiet rasante Fortschritte machte. Künstliche Erzeugung von Elektrizität, deren Eigenschaften und mögliche Nutzung beschäftigten auch Lichtenberg. Bei diesbezüglichen Experimenten entstand 1777 während des Baus eines großen Elektrophors (Gerät zur Stromerzeugung und -speicherung) viel feiner Harzstaub, der sich überall in Lichtenbergs Zimmer verteilte. Eher zufällig nahm der Forscher wahr, dass dieser Staub sich auf der Grundfläche des Elektrophors nicht gleichmäßig ablagerte, sondern bestimmte Muster bildete:

„Als ich später des öfteren den Schild [meint: den Deckel] an der Zimmerdecke hängen ließ, geschah es, daß der auf der Grundfläche liegende Staub diese nicht, wie zuvor den Schild, gleichmäßig bedeckte, sondern sich nun an mehreren Stellen zu meinem großen Vergnügen in kleinen Sternen anordnete, die anfangs matt und schwer zu erkennen waren, die aber, als ich mit Eifer mehr Staub darauf streute, sehr deutlich und sehr schön wurden und häufig getriebener Arbeit glichen. Es zeigten sich mitunter fast unzählbar viele Sterne, Milchstraßen und größere Sonnen; Bogen, die an ihrer hohlen Seite dunkel, an ihrer erhabenen aber mit Strahlen versehen waren; ganz fein gebildete Ästchen, denen ähnlich, welche gefrorener Dampf an Fensterscheiben erzeugt; ferner Wolken, sehenswert in ihrer mannigfachen Gestalt und den verschiedenen Graden des Schattens.“[1]

Lichtenberg versuchte in der Folge, diese Muster in bewusstem Vorgang zu erzeugen und zu verstehen sowie sie zu konservieren, indem er Abdrücke auf gekleistertem Papier fertigte. Abraham Gotthelf Kästner berichtete der Göttinger Akademie am 3.5.1777 davon:

„Einige der schönsten [Figuren] hat Hr. Prof. L[ichtenberg] zu zeichnen versucht, aber es bald aufgegeben, da er einen kürzern Weg sie zu copiren fand. Er druckte sie nemlich auf schwarzes klebriches Papier, so wie sie waren, ab, und legt[e] die Abdrücke hinter Glas. Solcher Copien wurden sechs vorgezeigt, sie hatten, ob sich gleich der Abdruck nie ohne einige Quetschung machen läßt, doch ein sehr schönes Ansehen. Was dies[e] Erscheinung besonders merkwürdig macht, ist, daß er von einer solchen Sonne z[um] E[xempel] so viele Auflagen machen kann, als er will, denn wenn man auch den Staub, woraus sie besteht, wegwischt, so kömmt sie doch wieder, wenn neuer Staub darauf gestreut wird, und dieses oft nach Verlauf von vier bis fünf Tagen. Dieses hat nemlich die Erfahrung gelehrt.“

Hiermit war die Sichtbarmachung von Elektrizität prinzipiell gelungen, und nach einer kurzen Phase, in der die Wissenschaft seine Entdeckung für vollkommen sinnlos hielt, fand sie sehr große Aufmerksamkeit und brachte Lichtenberg besonders in England hohe Anerkennung ein, weil sie ein Verständnis elektrischer Phänomene ermöglichte und damit eine Grundlage für Anwendungen schuf.

Blitzableiter

Mit Lichtenbergs Faszination für die Elektrizität hängt auch eine Innovation zusammen, die der Physiker der Region brachte. Lichtenberg litt unter starker Gewitterangst. Bei herannahendem Gewitter brach er stets seine Vorlesungen ab und begab sich furchtsam in die Mitte des Raumes. Benjamin Franklin hatte in Amerika den elektrischen Charakter des Blitzes erforscht; in Petersburg war der Physiker Richmann bei Versuchen mit Blitzen ums Leben gekommen – innewohnende Möglichkeiten und Schrecken des Naturereignisses lagen auf der Hand und spiegelten sich in Lichtenbergs Furcht und gleichzeitigem Forscherinteresse wider. Aus ureigenstem Interesse baute Lichtenberg 1782 Göttingens ersten Blitzableiter. Nach dieser regionalen Einführung des nützlichen Geräts von seiner Hand musste Lichtenberg in der Folgezeit mehrfach Gutachten über den Bau solcher Anlagen erstellen.

Das Lichtenberghaus war auch der Ort, an dem die wohl erste moderne Experimentalvorlesung der Welt stattfand, als deren „Erfinder“ Lichtenberg gelten muss. Die berühmte Instrumentensammlung, die der Physiker aus eigener Tasche nur für diesen Zweck zusammengekauft hatte, nahm in diesen Räumlichkeiten ihren Ursprung. (>>Station Städtisches Museum)

Im Treppenhaus kann ein kleines Experiment durchgeführt werden: Alle Besucher stellen sich in einer Reihe auf und fassen einander an den Händen. Die Person, die am Kopf der Schlange steht, wird mit der freien Hand mit einer Elektrisiermaschine in Berührung gebracht, erhält also einen kleinen Stromschlag. Dieser Schlag „zappelt“ nun durch die Personenschlange.

Was zeigt uns das? Wir wissen von Lichtenbergs Faszination für und intensive Beschäftigung mit den Möglichkeiten und Gefahren der Elektrizität. Auch Lichtenberg hatte selbstverständlich hier in diesem Hause eine Elektrisiermaschine stehen, ein großes Gerät mit einem hölzernen Laufrad, das man durch Drehen mechanisch antrieb. Mit ihrer Hilfe lud man Kondensatoren (Leidener Flaschen) elektrisch auf und erteilte dann einer Menschenkette einen Schlag (Kleistscher Stoß). Dies stellte in gewissen Gesellschaftskreisen, auch im Ausland, eine Zeitlang ein sehr beliebtes Spielchen dar. Lichtenberg notierte hierzu:

„Zu Paris glaubte man vor einigen Jahren gefunden zu haben, daß der Stoß immer bey ‚frigidis et impotentibus‘ [also bei Frigiden und Impotenten] aufhöre. Der Graf von Artois, der davon hörte, berief dazu die Castraten der Oper; und man fand die Beobachtung falsch. Auf diese Weise ist die Elektrisiermaschine um die Ehre gekommen, dereinst als ein nützliches Instrument in den Versammlungs-Sälen der Consistorien und Ehegerichte zu prangen.“[2]

Dies als lebendiges Beispiel für Lichtenbergs vielgerühmte aphoristische Denkweise.

 


[1] Vortrag vor der Königlichen Sozietät der Wissenschaften zu Göttingen, „Anlaß der Beobachtung dieser Erscheinung“ bzw. G.C. Lichtenberg, Über eine neue Methode, die Natur und Bewegung der elektrischen Maschine zu erforschen, in: G.C. Lichtenberg, Observationes, Göttingen 1997, S. 151

[2] Erxleben, J. Chr. P.: Anfangsgründe der Naturlehre, 6. Aufl., mit Zusätzen von G.C. Lichtenberg, Göttingen 1794, S. 490 – das damals verbreitetste Physiklehrbuch