Das Projekt WINSUN vereint eine neue Generation von Messdaten mit Computersimulationen zu einem umfassenden Blick auf das Magnetfeld der Sonne.
Der Europäische Forschungsrat (ERC) hat Prof. Dr. Sami Solanki vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) mit einem der renommierten ERC Advanced Grants ausgezeichnet. Die Förderung in Höhe von insgesamt 2,5 Millionen Euro wird es in den nächsten fünf Jahren ermöglichen, unser Bild vom Magnetfeld der Sonne grundlegend voranzutreiben und zu vervollständigen. Dafür setzt Solanki auf eine neue Generation von Weltraummissionen und Sonnenobservatorien, die gerade ihren Betrieb aufnehmen oder kurz davor stehen. Die neue Forschungsinfrastruktur liefert nicht nur Daten in bisher unerreichter Detailschärfe, sondern verschafft auch Zugang zu Regionen der Sonne, die der Wissenschaft bisher verschlossenen waren. Zusammen mit Computersimulationen entsteht so ein beispiellos umfassender Blick auf unser Zentralgestirn. Für die aktuelle Förderperiode erreichten die Europäische Forschungskommission mehr als 1600 Anträge für einen Advanced Grant. Nur 218 davon wurden bewilligt.
Das komplexe und hochdynamische Magnetfeld der Sonne ist eines ihrer herausragendsten Merkmale. Es ist verantwortlich für eine Vielzahl von charakteristischen Phänomenen – von den dunklen Sonnenflecken, die sich immer wieder an der sichtbaren Oberfläche der Sonne zeigen, bis zu den heftigen Strahlungs- und Teilchenausbrüchen, die als Sonnenstürme sogar die Erde erreichen können. Zudem steuert das Magnetfeld das wechselhafte Wesen unseres Sterns, das sich etwa in seinem elfjährigen Aktivitätszyklus und sowie in deutlich längerfristigen Änderungen seiner Strahlungsintensität offenbart. Dabei sind grundlegende Eigenschaften des solaren Magnetfeldes noch immer nicht verstanden. Wie genau entsteht es tief im Innern der Sonne? Wie verhält es sich an ihren Polen? Welche Prozesse versorgen es mit Energie? Und wie wird diese Energie bis in die heiße Sonnenatmosphäre transportiert? Antworten auf diese Fragen zu finden, ist Ziel des nun geförderten Projektes WINSUN.
Die Zeit dafür ist denkbar günstig. Die Sonnenforschung steht an der Schwelle zu einer Art Generationswechsel. Zwar versorgen ältere Raumsonden und Teleskope wie etwa das Solar Dynamics Observatory der NASA oder das Sonnenteleskop GREGOR auf Teneriffa Forschende weiterhin mit wertvollen Daten. Doch die meisten dieser Anlagen gehen bereits in ihr zweites Betriebsjahrzehnt. Mit weiterentwickelten Instrumenten und hochmoderner Technik werden neue Missionen und Observatorien in den nächsten Jahren völlig neuartige Beobachtungsdaten liefern. Diese wird WINSUN zusammenführen und um komplexe Computersimulationen der Vorgänge auf der Sonne ergänzen. „Der Sonnenforschung bieten sich aktuell nie dagewesene Möglichkeiten“, so Solanki. „Erstmals können wir hoffen, das solare Magnetfeld in seiner Gesamtheit zu verstehen.“
Einzigartige Daten von vier Sonnenspähern
Eine wichtige Rolle dabei spielt die ESA-Raumsonde Solar Orbiter. Seit vergangenem Jahr hat sie sich der Sonne bereits zweimal auf ein Drittel des Abstandes zwischen Erde und Sonne genähert. Entstanden sind so unter anderem Aufnahmen der Sonnenkorona im ultravioletten Licht in bisher unerreichter Detailschärfe. In den kommenden Jahren wird die zunehmend geneigte Flugbahn der Sonde zudem erstmals einen Blick auf die Pole unseres Sterns freigeben. Unterstützung bekommt Solar Orbiter im Sommer dieses Jahres. Dann startet die indische Raumsonde Aditya-L1 ins All und wird ihr Augenmerk auf einen bisher wenig erforschten Wellenlängenbereich der Sonne richten.
Von seinem Standort auf Hawaii führt auch das Daniel K. Inouye Solar Telescope (DKIST) einzigartige Messungen durch. Bereits während der Inbetriebnahme 2019 sorgten erste Aufnahmen der Sonne weltweit für Begeisterung. Es waren die bisher höchstaufgelösten, die je in sichtbarem Licht gelungen waren – und nur der Anfang. Seit Kurzem ist die Inbetriebnahme abgeschlossen und für DKIST hat der wissenschaftliche Arbeitsalltag begonnen.
Der vierte Sonnenspäher, auf den das Projekt WINSUN setzt, ist Sunrise. Ein weiterer Flug des ballongetragenen Observatoriums, das aus der Stratosphäre auf die Sonne schaut, ist in Planung. Sunrise kann Vorgänge in der unteren Sonnenatmosphäre genauer abbilden als bisher möglich.
An all diesen Projekten ist Prof. Dr. Sami K. Solanki maßgeblich beteiligt. Seit 23 Jahren leitet er die Abteilung „Sonne und Heliosphäre“ des MPS und hat in dieser Zeit nicht nur entscheidend zu unserem bisherigen Verständnis des Sonnenmagnetfeldes und der Variabilität unseres Sterns beigetragen, sondern auch wichtige Projekte der Sonnenforschung vorangetrieben. So hat er etwa die Ballonmission Sunrise ins Leben gerufen, die aus der Stratosphäre ihren einzigartigen Blick auf die Sonne richtet. Zudem ist er Principal Investigator des Teleskops PHI von Solar Obiter und als Co-Investigator Mitglied der Wissenschaftsteams von Arydita-L1, DKIST und weiterer Solar Orbiter-Instrumente.
Mit den Advanced Grants unterstützt der Europäische Forschungsrat erfahrene, weltweit renommierte Wissenschaftler, die an der Spitze ihres Forschungsfeldes stehen. Die Förderung, die sich über fünf Jahre erstreckt, bietet ihnen die Möglichkeit, besonders ehrgeizige Forschungsvorhaben anzugehen. Bereits 2016 war Solanki mit einem anderen Antrag auf einen Advanced Grant erfolgreich.