Nach der Landung des ballongetragenen Sonnenobservatoriums Sunrise III in den kanadischen Nordwest-Territorien hat nun das Bergungsteam die Landestelle erreicht. Sunrise III ist in einer bewaldeten Region niedergegangen und nach erstem Augenschein in gutem Zustand. Die Datenspeicher mit den wissenschaftlichen Messdaten von der Sonne, die das Observatorium während seines mehr als sechstägigen Stratosphärenfluges aufgenommen hat, sind bereits geborgen und in Sicherheit. Erste Rohdaten, die während des Fluges an das Kontrollzentrum der Mission am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen übertragen und dort zum Kalibrieren der Messinstrumente genutzt wurden, sind ausgesprochen vielversprechend. Sunrise III konnte nicht nur mehrere Sonnenflecken beobachten, sondern hat auch einen Weltrekord aufgestellt.
Sechs Tage, 14 Stunden und 46 Minuten hat der Flug von Sunrise III gewährt. Nach wochenlangem Warten auf günstige Startbedingungen war das Observatorium am 10. Juli 2024 um 6.24 Uhr (MESZ) von der Ballon- und Raketenbasis Esrange Space Center nahe der nordschwedischen Stadt Kiruna nördlich des Polarkreises abgehoben. Auf einer Flughöhe von etwa 35 Kilometern erfassten es stratosphärische Ostwinde und trugen es über Island und Südgrönland bis über die kanadischen Nordwest-Territorien. Zwischen dem Mackenzie River und dem Great Bear Lake ging Sunrise III am 16. Juli 2024 kontrolliert am Fallschirm nieder.
Lange Flugdauer
„Wir freuen uns wahnsinnig, dass die Windbedingungen in der Stratosphäre uns einen mehr als sechstägigen Flug ermöglicht haben“, so Dr. Andreas Korpi-Lagg vom MPS, Projektmanager der Mission. Zusammen mit dem internationalen Sunrise III-Team hatte er den gesamten Flug im Göttingen Operations Center, dem Kontrollzentrum der Mission am MPS, überwacht. Sunrise III verfügt über keinen eigenen Antrieb; allein die Stratosphärenwinde bestimmen Flugdauer und -route.
Mit den ersten Daten, die schon während des Fluges in niedriger Qualität zu Kontrollzwecken nach Göttingen übertragen wurden, ist das Sunrise III-Team hochzufrieden. Alle wissenschaftlichen Instrumente haben reibungslos funktioniert. Da die Sonne derzeit besonders aktiv ist, konnte Sunrise III mehrere Sonnenflecken, dunkle Gebiete auf der Sonnenoberfläche mit besonders hoher magnetischer Feldstärke, und sogar einen Strahlungsausbruch beobachten. Zudem ist dem Team ein Weltrekord gelungen: eine durchgängige Messung von mehr als vier Stunden Dauer mit höchster Auflösung. „Damit haben wir eines der wichtigsten technischen Ziele der Mission erreicht“, so Prof. Dr. Sami K. Solanki, Leiter der Sunrise III-Mission und Direktor am MPS. Während Weltraumobservatorien wegen der deutlich geringeren Größe ihrer Teleskope in der Regel keine vergleichbare Auflösung erreichen, führen bei erdgebundenen Teleskopen Luftbewegungen in der Atmosphäre meist zu Unterbrechungen nach deutlich kürzeren Messdauern. Im Falle von Sunrise III sorgt ein ausgeklügeltes Bildstabilisierungssystem dafür, dass das Observatorium trotz der schwankenden Bewegungen der Gondel mit höchster Präzision Aufnahmen der Sonne einfängt.
Unterstützung vom Boden und aus dem Weltall
Im Rahmen einer abgestimmten Messkampagne hatten zeitgleich mit Sunrise III zehn bodengebundene Sonnenteleskope auf der ganzen Welt, darunter etwa das Daniel K. Inouye Solar Telesope (DKIST) auf Hawaii und GREGOR auf Teneriffa, sowie die Raumsonden und Satelliten SDO, IRIS, Hinode, CHASE und Aditya-L1 aus den USA, Japan, China und Indien die Sonne im Blick. „Wir sind zuversichtlich, dass auf diese Weise ein einzigartiger Datenschatz entstanden ist, der uns helfen wird, das Wesen unseres Sterns besser als je zuvor zu verstehen“, so Solanki. Nach Rückkehr der Datenspeicher wird die Kalibration der Daten mehrere Monate in Anspruch nehmen, bevor die detaillierte wissenschaftliche Auswertung beginnen kann.
Versteckt im Unterholz
Zunächst steht die weitere Bergung an. Bereits der erste Tag war abenteuerlich. Von Yellowknife, der größten und einzigen Stadt in den kanadischen Nordwest-Territorien, führte ein Flug per Cessna das Bergungsteam in die nördlicher gelegene Gemeinde Norman Wells. Von dort ging es per Hubschrauber weiter. „Es war gar nicht so leicht, Sunrise III zu finden“, berichtet Daniel Maase vom MPS, einer von drei MPS-Mitgliedern des Bergungsteams. „Wir mussten uns zunächst etwa 200 Meter durch das Unterholz zum Fallschirm kämpfen. Der war wegen seiner auffälligen orangen Farbe leichter zu entdecken. Und von dort haben uns dann die Seile, die den Fallschirm am Observatorium halten, zum Ziel geführt“, ergänzt er. Zu den ersten Handgriffen des Teams zählte das Bergen der Datenspeicher. Diese enthalten die wertvollste Fracht von Sunrise III: die wissenschaftlichen Daten, die während des Fluges von den drei wissenschaftlichen Instrumenten aufgenommen wurden. Das Bergungsteam hat die Speicher bereits ausgebaut und zurück nach Norman Wells transportiert.
In den nächsten Tagen wird das Team nun Komponenten des Teleskops, die wissenschaftlichen Instrumente und weitere Hardware-Teile ausbauen und sichern sowie die Gondel zerlegen. Per Hubschrauber und Flugzeug wird die Fracht nach Yellowknife transportiert. Von dort machen sich die verschiedenen Hardwareteile dann auf die Reise (zum Teil im Übersee-Container) zu ihren Heimatinstitutionen in Deutschland, den USA, Spanien und Japan. Die Datenspeicher treffen bereits früher am MPS ein. Sie reisen zusammen mit dem Bergungsteam in den nächsten Tagen im Handgepäck zurück.
Über die Mission
Das ballongetragene Sonnenobservatorium Sunrise III ist eine Mission des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS, Deutschland). Sunrise III blickt mit Hilfe eines 1-Meter-Teleskops, dreier wissenschaftlicher Instrumente und eines Systems zur Bildstabilisierung aus der Stratosphäre auf die Sonne. Maßgeblich Mitwirkende an der Mission sind das Applied Physics Laboratory der Johns Hopkins University (APL, USA), ein spanisches Konsortium, das National Astronomical Observatory of Japan (NAOJ, Japan), und das Institut für Sonnenphysik (KIS, Deutschland). Das spanische Konsortium wird geleitet vom Instituto de Astrofísica de Andalucía (IAA, Spanien) und besteht zudem aus dem Instituto Nacional de Técnica Aeroespacial (INTA), der Universitat de València (UV), der Universidad Politécnica de Madrid (UPM) und dem Instituto de Astrofísica de Canarias (IAC). Weitere Partner sind das Wallop’s Flight Facility Balloon Program Office (WFF-BPO) der NASA und die Swedish Space Corporation (SSC).
Sunrise III wird unterstützt von der Max-Planck-Förderstiftung, der NASA im Rahmen der Grants #80NSSC18K0934 und #80NSSC24M0024 ("Heliophysics Low Cost Access to Space"-Programm) sowie dem ISAS/JAXA Small Mission-of-Opportunity-Programm und JSPS KAKENHI JP18H05234. Die spanischen Beiträge wurden vom spanischen MCIN/AEI im Rahmen der Projekte RTI2018-096886-B-C5 und PID2021-125325OB-C5 sowie von "Center of Excellence Severo Ochoa"-Preisen an das IAA-CSIC (SEV-2017-0709, CEX2021-001131-S) finanziert, die alle von den europäischen REDEF-Fonds "A way of making Europe" kofinanziert wurden.