Forschung zu Einsatz von KI bei Diagnostik psychischer Beschwerden

KI kann bei der Diagnose von Depressionen helfen

Der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) bei der Diagnostik psychischer Beschwerden kann helfen, depressive Symptomatik schneller zu erkennen. Darauf deuten erste Ergebnisse eines Forschungsprojekts hin, das an der PFH Private Hochschule Göttingen in Kooperation mit der Hochschule Reutlingen durchgeführt wird. Im Forschungsprojekt wird die Fähigkeit von Deep Learning Modellen und Large Language Models (LLM) zur Diagnostik psychischer Beschwerden, wie beispielsweise depressiver Symptomatik, untersucht.

"Die ersten Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine KI fähig ist, das Vorliegen einer depressiven Episode zu erkennen“, sagt Prof. Dr. Youssef Shiban, Professor für Klinische Psychologie an der PFH. In dem Forschungsprojekt, das an der PFH Private Hochschule Göttingen in Kooperation mit der Hochschule Reutlingen durchgeführt wird, zeigte sich das KI-Modell GPT 3.5, eine von OpenAI entwickelte Version, als überraschend fähig darin, depressive Symptomatik zu erkennen. Bestätigen sich im weiteren Verlauf des Forschungsprojekts die Ergebnisse, so könnte das wegweisend für die präzisere und schnellere Diagnostik von Depressionen sein. „Die Künstliche Intelligenz könnte uns ein guter Helfer sein, damit psychisch Erkrankte nicht mehr monatelang auf die richtige Diagnose warten müssen“, so Shiban.

KI als Helfer, um Diagnosen früher und gezielter zu stellen
Die Diagnose von Depressionen stellt aufgrund der vielfältigen Symptome, dem möglichen Auftreten zusammen mit anderen psychischen Störungen und körperlichen Gesundheitsproblemen eine Herausforderung dar. Insbesondere innerhalb der Corona-Pandemie zeigten Studien der PFH eine Zunahme depressiver Symptomatik in der Allgemeinbevölkerung. „Wo hier die Grenzen zwischen einer schwierigen Phase und einer behandlungsbedürftigen depressiven Symptomatik liegt, ist für Betroffene oftmals schwer einzuschätzen. Gleichzeitig fehlt vielen der Zugang zu einer angemessenen klinischen Diagnostik“, sagt Youssef Shiban. „Letztendlich ist das Ziel, Diagnosen früher und gezielter zu stellen. Damit hätten Behandelnde dann mehr Zeit für die wesentliche therapeutische Arbeit“, so Shiban weiter. „Perspektivisch könnten neue, KI-basierte Anwendungen auch Betroffenen leichter zugänglich gemacht werden und erste Einschätzungen liefern. Die KI soll aber keineswegs Psychotherapeut:innen ersetzen“, ergänzt Shiban. Den größten Nutzen sehen er und seine Forschungskolleg:innen im Zusammenspiel zwischen Mensch und künstlicher Intelligenz.

Hohe Leistungsfähigkeit von Large Language Models
Im Rahmen des Forschungsprojekts erkannte GPT 3.5 depressive Symptomatik exakter als ein Deep Learning Modell, welches speziell für die Diagnostik in klinischen Interviews trainiert wurde. Die so viel besseren Ergebnisse der KI-Sprachmodelle GPT 3.5 und 4.0 gegenüber älteren NLP-Modellen seien unerwartet, erklärt Forschungspartner Prof. Dr. Matthias Rätsch, Professor für Artificial Intelligence and Interactive Mobile Robots an der Hochschule Reutlingen. „Ein Grund für diese erst kontraintuitiv erscheinenden Ergebnisse könnte hierbei die größere Menge an Trainingsdaten und die höhere Leistungsfähigkeit der neuen LLM-Systeme wie GPT 3.5 sein. Das könnte den enormen Zugewinn gegenüber älteren, auf BERT basierenden Modellen erklären“, erläutert Prof. Rätsch. BERT steht dabei für "Bidirectional Encoder Representations from Transformers". Es handelt sich um ein fortschrittliches Modell für die Verarbeitung natürlicher Sprache (NLP), das auf der Transformer-Architektur basiert. „Auch ist durch weiteres Finetuning auf das Problem mit weiteren Verbesserungen zu rechnen“, so Rätsch. Er wird die von Michael Danner, University of Surrey, sowie Bakir Hadzic und Irem Uslu von der Hochschule Reutlingen durchgeführte Studie im September 2023 auf der Konferenz SICE an der japanischen Mie-Universität vorstellen.

Mitwirkende für Studie gesucht
Um unter möglichst realistischen Bedingungen herauszufinden, was KI-Anwendungen wirklich leisten können, werden für das Forschungsprojekt, das auf Seiten der PFH von Julia Ohse, wissenschaftliche Mitarbeiterin, im Rahmen ihrer Doktorarbeit betreut wird, jetzt Studienteilnehmer ab 18 Jahren gesucht. Für die Studie werden explizit auch Personen gesucht, welche bereits eine Diagnose haben, gerade von einer depressiven Episode betroffen sind oder es in der Vergangenheit einmal waren. „Teilnehmende müssen nur einen Fragebogen ausfüllen und an einem Online-Interview teilnehmen, die geschätzte Bearbeitungszeit beträgt 30 Minuten“, sagt Julia Ohse. Die Teilnahme erfolgt anonym. Die Teilnehmenden haben die Möglichkeit, Auskunft über ihr Ergebnis auf dem PHQ-9, einem Fragebogen zu depressiver Symptomatik, zu erhalten.  „Dieser Wert ist natürlich keine Diagnose, allerdings kann sich so ein Verdacht auf eine depressive Symptomatik zeigen“, erläutert Ohse. „Zusätzlich erhalten alle Personen, die an unserer Studie teilnehmen im Anschluss Informationen über Anlaufstellen für Menschen mit Depressionen.“

Interessierte können sich unter folgender Adresse für eine Teilnahme an der Studie registrieren: https://umfragen.pfh.de/index.php/634674?lang=de