Nicht nur die heißen Sommertage brachten das Team Blue Flash in dieser Saison zum Schwitzen: Für gleich drei internationale Konstruktionswettbewerbe hatten sich die HAWK- und einige GAU-Studierenden aus Göttingen qualifiziert. Somit wurde fast jeder zweite Tag nach dem Roll-out Mitte Mai im PS.SPEICHER in Einbeck für die Tests des neuesten Elektrorennfahrzeugs, dem E_HAWK22 genutzt. Und auch die Vorbereitungen für die Logistik, die Reisen sowie aller Prüfungen in Theorie und Praxis liefen auf Volldampf. Am Ende konnte sich das Team nach ereignisreichen Wettkämpfen an allen Orten im vorderen bzw. im guten Mittelfeld behaupten.
Für die internationalen Konstruktionswettbewerbe der „Formula Student“ konstruiert und fertigt das Hochschulteam einmal pro Jahr einen jeweils neuen Elektrorennwagen, der von Jahr zu Jahr verändert und optimiert wird. Es simuliert dabei ein Unternehmen mit allen wichtigen Sparten. Die Fahrzeugteile werden dabei zum größten Teil von professionellen Firmen aus dem Wirtschaftsraum Südniedersachsen gefertigt. Mit dem jeweils neuesten E_HAWK treten die Studierenden in der Kategorie der elektrisch betriebenen Fahrzeuge an. In diesem Jahr hatte sich das Team für den Bereich Fahrwerk und Rahmen eine verbesserte Konstruktion überlegt: Unter anderem ein neu entwickeltes Dämpfersystem ermöglichte eine bessere Traktion der Räder und somit schnellere Rundenzeiten bei den dynamischen Disziplinen.
Einen ersten externen Testlauf konnte das Team Mitte Juni beim VDI Racing Camp absolvieren, wo es neben zwölf anderen Hochschulteams den Wagen in der Praxis einsetzte und weiter verbessern konnte. Und sie lösten einen Teil des Transportproblems für ihren Wagen: Blue Flash erwarb einen eigenen Transporter für die Wettbewerbe, und ist nur noch zum Teil auf Leihfahrzeuge angewiesen.
Anfang Juli war es soweit: Das Team brach in die Niederlande auf, für den ersten Wettbewerb. Einen kleinen Rückschlag mussten die Studierenden schon vor Abfahrt einstecken: Der bisher funktionsfähige Akku wies einen Platinendefekt auf. Somit konnte der E_HAWK22 nicht die dynamischen Aufgaben absolvieren. Die BlueFlashler konnten bei den statischen Disziplinen aber so gut abschneiden, dass sie insgesamt den 10. Platz erreichten. „Den Umständen entsprechend ein gutes Ergebnis, welches uns nach den Hochrechnungen mit den im Testen gemessenen Zeiten des E_HAWK22 positiv stimmte“, fasste Teamchef Jonas Antonczyk diesen ersten Wettkampf zusammen.
Nur vier Wochen Zeit zum Vorbereiten des nächsten und wichtigsten Events hatten die Studierenden: Die Formula Student Germany (fsg) am Hockenheimring, die auch als heimliche Weltmeisterschaft gehandelt wird. In dieser Zwischenphase mussten die Studierenden aber auch das machen, was alle machen müssen: Klausuren für ihr Studium schreiben. Für die fsg bereitete sich eine Gruppe von über 30 Studierenden vor. „Noch nie waren wir mit einem so großen Team auf einem Wettkampf“, so Antonczyk: der Vorteil sei, dass Aufgaben breiter in den Bereichen Technik, Fahrer*innen und Staticteam verteilt werden konnten und somit alle mehr entlastet waren.
Das fünftägige Event mit 66 Hochschulteams hatte es dann auch in sich: Mit mehreren Teamzelten, eigener Werkstatt und einem eigenen Socialmediateam angereist, musste Blue Flash zunächst die statischen, theoretischen Prüfungen erfolgreich absolvieren, bevor es zu den Fahrtests antreten durfte. „Der Samstag war ein Tag zwischen Nervenzusammenbruch und Ekstase“, beschreibt Antonczyk die allgemeine Gefühlslage am vorletzten Wettkampftag: Ein Fehler bei der Sicherheitsabschaltung sorgte den ganzen Tag über für nervenaufreibende Eile: Das Team konnte erst in letzter Minute beim Autocross, bei dem der E_HAWK22 eine schnelle Runde gegen die Uhr fahren musste, antreten. „Aus Freude sprang das ganze Team spontan in den Swimmingpool nebenan“, lacht Antonczyk. Und auch am letzten Tag war noch einmal größere Spannung angesagt: Schafft der Wagen den wichtigen Endurance Test, bei dem der Elektrorenner rund 22 km auf Strecke durchhalten muss? Er schaffte es und kam als Achtbester durchs Ziel bei dieser Disziplin, bei der nur 17 Teams überhaupt von allen zugelassen waren. Insgesamt belegte das Team bei der fsg Platz 16.
Zurück nach Hildesheim, stand nach nur sechs Tagen das nächste Event vor der Tür: die Formula Student in Barcelona, wo am Ende der zwanzigste Platz erreicht werden konnte. Blue Flash reiste mit einem kleineren, achtköpfigen Team nach Spanien. Hier machten vor allem externe Einflüsse, das Wetter wechselte oft von Hitze zu Starkregen und Hagel, sowie Stromausfälle dem Team zu schaffen. Ab einem Zeitpunkt musste auch der Campingbereich umziehen, weil die Regenfälle zu Überschwemmungen geführt hatten. Bei den statischen Disziplinen konnten die HAWK-Studierenden gut abschneiden, es gab jedoch Probleme während des sogenannten Endurance mit dem Gas, was kurzfristig nicht gelöst werden konnte.
Abschließend zieht Teamleiter Jonas Antonczyk ein positives Fazit. Was sich an Erwartungen nicht ganz erfüllt hatte, war in diesem Jahr das Thema „Autonomes Fahren“: Aufgrund größerer technischer Probleme in der Entwicklung konnten die erforderlichen Komponenten nach dem Roll-out nicht mehr fertiggestellt werden. Da das autonome Fahren jedoch in den Konstruktionsplänen des E_HAWK22 vorgesehen war, konnte es bei den statischen Disziplinen mitberücksichtigt werden.
Für die nächste Saison wolle man sich somit vor allem auf die praktische Umsetzung des „driverless“, dem autonomen Fahren, im neuen Fahrzeug konzentrieren, so Antonczyk. Der – mittlerweile – alte Wagen E_HAWK22 soll als Entwicklungsplattform dafür dienen. Und auch neu ist: Es soll ein Flügelsystem, ein sogenanntes „Aeropack“ in das nächste Fahrzeug integriert werden.
Aktuell steht der Wechsel in der Leitung an: Antonczyk übergibt seinen Posten nach drei Jahren an Daniel Schlunk, dem bisherigen „Head of Finance“ „Was ich in den letzten drei Jahren erleben durfte, dass das Team immer weiter zusammengewachsen ist“, sagt Antonczyk. Da seien ganz schnell aus Kolleg*innen auch Freund*innen geworden. Sein persönliches Ziel, die kontinuierliche Verbesserung des Fahrzeuges, habe sich erfüllt. Gleichzeitig freue er sich aber auch auf die Zeit nach Blue Flash: „Drei Jahre Formula Student bedeutet auch, drei Jahre wenig bis gar keine Zeit für andere Dinge oder Urlaub“. Und dann steht für Antonczyk auch die nächste große Etappe bevor: seine Bachelorarbeit.
Weitere Informationen zu den Wettbewerben auf der Website von Blue Flash: https://blueflash-hawk.de/